05. 12. 2023
Verfasst von: Robert Hänsch, David Kaufhold, Heinz Rennenberg
Bäume im Klimastress – zwischen Anpassung und Verteidigung
Wie wirkt sich die Klimaerwärmung auf unsere Vegetation aus? Die Klimafolgen zu begreifen und insbesondere die Reaktion einzelner Organismen und ganzer Wälder zu verstehen, verlangt interdisziplinäre Ansätze und internationale Zusammenarbeit. Ein Team der Technischen Universität Braunschweig erforscht, wie sich Pflanzenzellen mit Verteidigungsmolekülen gegen Stressfaktoren wehren. Auf einer Expedition in Nord-China untersuchte das Team Erlenwälder, die sich auf Permafrostböden ansiedelten und nun mit Hitze und tauenden Böden konfrontiert sind.
Prozesse ergründen, Maßnahmen entwickeln
Konsequenzen der Klimaerwärmung experimentell im Labor nachzustellen ist immer noch schwer. Umso wichtiger sind Reallabore, die verschiedenste Stressfaktoren und Einflüsse auf einzelne Pflanzen oder Pflanzengesellschaften am natürlichen Standort und die daraus resultierenden Wechselwirkungen mit ihrer Umgebung untersuchen. Dabei können sowohl ganzheitliche Reaktionen der zu untersuchenden Pflanze als auch einzelne Moleküle innerhalb einer Zelle betrachtet werden. „Die ganzheitliche Betrachtung ist von zentraler Bedeutung für die Prognose zukünftiger Entwicklungen“, erläutert Prof. Dr. Robert Hänsch vom Institut für Pflanzenbiologie der Technischen Universität Braunschweig. „Die Aufklärung der beteiligten Prozesse ist essenziell, um Maßnahmen zu entwickeln, die den negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Vegetation entgegenwirken.“ In Braunschweig betreibt er beide Ansätze parallel.
Buchen bilden Verteidigungsmoleküle
Seit vielen Jahren stehen in Braunschweig kleine Proteine im Fokus, die pflanzlichen Defensine. Dabei handelt es sich um aktive Verteidigungsmoleküle gegen mikrobielle Erreger, Pilze und Toxine, die ursprünglich in krautigen Pflanzen entdeckt wurden. In Kooperation mit der Professur für Baumphysiologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Prof. Dr. Heinz Rennenberg, gefördert vom Waldklimafonds der Bundesregierung, konnten die Biologinnen und Biologen diese Moleküle nun auch in Buchen und Eichen nachweisen. Die Wirkungsweise der pflanzlichen Defensine ist in vielen Fällen noch nicht vollständig verstanden. „Mittels neuartiger Antikörper können wir aber die Regulation studieren und diese als Maß für den aktuellen Gesundheitszustand des untersuchten Baumes nutzen“, beschreibt Mitarbeiter Dr. David Kaufholdt das Ziel der Arbeiten.
Insbesondere Buchen sind in vielen Gebieten Niedersachsens besonders stark von den langanhaltenden Trockenperioden der vergangenen Jahre betroffen. Pilzliche und tierische Schaderreger haben dann häufig ein leichtes Spiel. In durch Trockenheit gestressten oder durch Insekten geschädigten Buchenblättern sind Defensine deutlich angereichert, wie das Braunschweiger Team erfolgreich nachwies. „Hier ist ein frühzeitiges und engmaschiges Monitoring von großer Bedeutung. Eine möglichst zeitnahe Diagnose vor den ersten sichtbaren Symptomen kann Försterinnen und Förstern helfen, mit Gegenmaßnahmen rechtzeitig zu starten“, betont David Kaufholdt.
Erlen zwischen Frost und Hitze
In Erlenwäldern untersuchen die Forschenden, welche Auswirkungen die globale Klimaerwärmung auf ein ganzes Ökosystem hat. Erlen besiedeln Extremstandorte mit geringen Nährstoffgehalten im Boden, zum Beispiel Permafrostböden. Dies begründet sich aus der nahezu einzigartigen Fähigkeit der gesamten Pflanzenfamilie, in Verbindung mit einem spezifischen Bakterium in Wurzelknöllchen Stickstoff aus der Luft zu entnehmen und der Pflanze verfügbar zu machen. Die Klimafolgen am natürlichen Standort studierte eine gemeinsame Arbeitsgruppe am Center of Molecular Ecophysiology (CMEP) an der Southwest University, Chongqing, China, im September 2023. Früher wies die Gegend um die nördlichste Stadt Chinas, MoHe, an Russland grenzend, einen ganzjährig vereisten Boden auf. Mittlerweile taut der Boden aber aufgrund des Klimawandels vielerorts auf.
„Extrem ungewöhnlich waren in diesem September die Temperaturen von über 30°C im Schatten“, berichtet Robert Hänsch von der Expedition. „Die wichtigste und kräftezehrendste Aufgabe war die Untersuchung des Bodens.“ Das Team bestimmte die Tiefe des vorherrschenden Permafrostbodens über Grabungen und analysierte die Temperatur des Oberbodens mittels Wärmebildkamera. „Die Extremtemperaturen und auch die große Trockenheit hat allen Teilnehmenden vor Augen geführt, wie sehr der Klimawandel dieses sensible Ökosystem bereits verändert hat“, schildert der Biologe seine Eindrücke. „Am Erschreckendsten aber war für alle, dass der Permafrost bereits an einer Stelle vollständig verschwunden war und die Vegetation sich deutlich verändert hat.“ Aktuell werden in Chongqing im Labor die mehr als 1.100 Pflanzen- und Bodenproben untersucht.
Wie sehen Wälder in Zukunft aus?
Die Untersuchungen des Brauschweiger Forschungsteams werfen zentrale Fragen für die Zukunft auf: Wird es die Buche künftig in unserer Heimat noch geben? Wie profitieren Erlen von den klimatischen Veränderungen oder beschleunigen sie sogar aktiv das Auftauen des Permafrostbodens? Nach Überzeugung von Robert Hänsch lassen sich die aktuellen globalen Probleme nur in internationalen Kooperationen lösen.
Hier finden Sie weitere Informationen:
Institut für Pflanzenbiologie
Institut für Pflanzenbiologie
38106 Braunschweig
38106 Braunschweig