13. 05. 2024
Verfasst von: Alexander Büssing, Ivana Marenzi
Wie beeinflussen soziale Medien Vorstellungen zum Klimawandel?
Soziale Medien spielen eine große Rolle im Alltag, insbesondere bei jungen Menschen. Doch wie beeinflussen Inhalte zum Klimawandel unser Denken und Handeln? Und welche Auswirkungen haben Phänomene wie Echokammern, Filterblasen oder Fake News? Da bisher wenig über diese Effekte bekannt ist, untersuchen Forschende der Leibniz Universität Hannover, welche Kompetenzen für die Nutzung sozialer Medien relevant sind und wie diese gefördert werden können. Sie entwickeln Analysemethoden mithilfe künstlicher Intelligenz und neue Unterrichtsmaterialien.
Neue Analysemethoden und Unterrichtsmaterialien
Durchschnittlich verbringen Menschen in Deutschland jeden Tag 35 Minuten auf WhatsApp und 23 Minuten auf Instagram. Neben privaten Inhalten erhalten sie auch Informationen zu gesellschaftlich kontrovers diskutierten Themen wie dem Klimawandel. Ergebnisse aus Fokusgruppenuntersuchungen zeigen, dass je nach persönlichen Interessen sehr unterschiedliche Inhalte angezeigt werden. „Soziale Medien können dabei sowohl eine Möglichkeit sein, sich mit Gleichgesinnten für den Klimaschutz zu engagieren“, führt Projektleiter Prof. Dr. Alexander Büssing aus. „Sie bergen jedoch ebenfalls die Gefahr, dass Menschen in Echokammern gefangen sind, was den Diskurs verhärtet oder zur Verbreitung von Falschinformationen beiträgt.“ In manchen Filterblasen werden wissenschaftliche Fakten über den Klimawandel offen geleugnet.
Soziale Medien wirken auf Wahrnehmung ein
Wie beeinflussen die Inhalte, mit denen wir konfrontiert werden, unser Denken und Handeln gegenüber dem Klimawandel? Um diese Frage beantworten zu können, untersucht das Projekt Social Media and Climate Change from the Perspective of Science Education (SoMeCliCS), welche Auswirkungen soziale Medien auf die Wahrnehmung des Klimawandels haben. In dem Kooperationsprojekt arbeiten das Institut für Didaktik der Naturwissenschaften und das Forschungszentrum L3S der Leibniz Universität Hannover mit Kollegen von der Justus-Liebig-Universität Gießen zusammen. Gefördert wird es von der VolkswagenStiftung und dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Auf dem Weg zur reflektierten Nutzung
„Um Menschen zu befähigen, soziale Medien kompetent und reflektiert zu nutzen, sind sowohl Kenntnisse über Fakten zum Klimawandel als auch ein generelles Wissen über die Wirkweise von sozialen Medien notwendig“, erläutert Alexander Büssing. So sollten Menschen zum Beispiel Inhalte aus sozialen Medien bewerten können. Mit Jugendlichen aus unterschiedlichen Schulen haben die Forscherinnen und Forscher Studien durchgeführt. Wie nehmen die jungen Menschen das Thema Klimawandel in sozialen Medien wahr? Welche Einstellungen haben sie dazu? Welche Informationen suchen sie dazu auf YouTube? Darauf basierend erarbeitet die Forschungsgruppe Materialien für den Schulunterricht, um die Kompetenzen von Lernenden zu stärken.
Komplexe Daten erfordern neue Analysemethoden
„Die Kommunikationsphänomene machen aufgrund der Komplexität digitaler Daten auch neue Forschungsmethoden notwendig“, hebt der Biologiedidaktiker hervor. So werden jede Minute ungefähr 400 Stunden Videomaterial auf YouTube und 50.000 Beiträge auf Instagram hochgeladen, die dann von Nutzenden vielfältig geteilt und kommentiert werden. Diese große Datenbasis erfordert neue Methoden der Auswertung, die die Computerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler des L3S realisieren. Einen aktuellen Ansatz stellt die Analyse von Emotionen dar. Diese lässt sich nutzen, um Einstellungen zum Thema Klimawandel aus großen Datensätzen zu analysieren.
Emotionen erkennen, Desinformation identifizieren
Um die in Tweets geäußerte Haltung zum Klimawandel in die Kategorien „glauben“, „verleugnen“ oder „unklar“ einordnen zu können, hat das L3S-Team KI-Modelle im Bereich der natürlichen Sprachverarbeitung und des Deep Learning entwickelt. Der Zweck der Klassifizierung: In den stark polarisierenden Diskussionen auf X (vormals Twitter) könnten Tweets, die Fehl- und Desinformation enthalten, als solche identifiziert werden und damit die Diskussionskultur über den Klimawandel verbessern. Die KI-Methoden zur Erkennung von Haltungen zum Klimawandel in Twitter-Daten wurden bereits auf renommierten Informatik-Konferenzen vorgestellt.
Die L3S-Forschenden fanden in den KI-gestützten Pilotstudien mit Schulkindern ein weiteres interessantes Ergebnis: Im Gegensatz zum KI-System hatten die Schülerinnen und Schüler keine Schwierigkeiten, Ironie oder Sarkasmus in Tweets zum Klimawandel zu verstehen. In der Zukunft können diese Forschungsmethoden in Verbindung mit etablierten Verfahren der empirischen Sozialforschung neue Perspektiven auf die Nutzung von sozialen Medien beim Thema Klimawandel eröffnen. Aktuell steht die Publikation der Ergebnisse im Vordergrund. Der Projektleiter Prof. Dr. Alexander Büssing arbeitet mittlerweile an der Technischen Universität Braunschweig und führt die Forschung zum Schwerpunkt der sozialen Medien hier fort.
Hier finden Sie weitere Informationen:
Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften
Institut für Fachdidaktik der Naturwissenschaften
Forschungszentrum L3S
Forschungszentrum L3S
30169 Hannover
30169 Hannover