07. 09. 2022
Verfasst von: Vivien Wiens, Regina Sonntag
Urban Factory – Begegnungsorte schaffen, Quartiere gestalten
Seit jeher prägen Fabriken die Quartiere unserer Städte. Doch ihre Zugehörigkeit im urbanen Raum wird seit Jahrzehnten in Frage gestellt – städtische Fabriken werden weiterhin verdrängt. Das Forschungsprojekt „Urban Factory II“ stellt den Mehrwert urbaner Fabriken heraus und will die Gemeinschaft durch Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort stärken. Der Dialog soll in multifunktionalen, urbanen Räumen entstehen und bestehende Infrastrukturen neu nutzen. Hier können sich Menschen und Unternehmen regelmäßig austauschen und das Quartier gemeinsam entwickeln.
Lösungen für die Stadt von morgen
Brachflächen und Leerstände, aber auch fehlende Akzeptanz gegenüber den letzten noch produzierenden Unternehmen bestimmen vielfach unser Bild einer urbanen Fabrik. Neuansiedlungen sowie langfristige Bestandserhaltung werden durch ein veraltetes Verständnis des produzierenden Gewerbes erschwert, obwohl sich dieses heute häufig emissionsarm, innovativ und kooperativ präsentiert. Dem drohenden Verlust urbaner Produktion und den damit einhergehenden Auswirkungen für unsere Städte stellt sich das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Urban Factory II – ressourceneffiziente Stadtquartiere durch urbane Produktion“ in der Metropolregion Braunschweig – Göttingen – Wolfsburg seit 2015 entgegen.
Dialog braucht Raum
Ausgehend vom Vorgängerprojekt (Urban Factory I) setzt ein Team aus derzeit 14 Forschungs- und Verbundpartnern nun konkrete Maßnahmen um. „Ziel ist es, den Austausch zwischen produzierenden Unternehmen und den Menschen vor Ort zu fördern und eine zukunftsfähige Stadtentwicklung zu unterstützen“, erläutert Forschungsmitarbeiterin Vivien Wiens von der Technischen Universität Braunschweig. Doch wie können produzierende Unternehmen, wichtige Stadtakteure und die betroffenen Bürgerinnen und Bürger am besten an der Planung beteiligt und in die Umsetzung integriert werden? „Praxisprojekte zeigen, dass es reale und für alle Menschen zugängliche Räume im urbanen Umfeld benötigt, die den transparenten Dialog von Fabrik und Stadt fördern“, antwortet Kollegin Regina Sonntag. So werde auch die Einmaligkeit sonst üblicher Bürgerbeteiligungsverfahren überwunden.
Quartiere aktiv gestalten
Begegnungsorte können vielfältige Funktionen übernehmen. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Initiative Quartier:PLUS am Schwarzen Berge in Braunschweig. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, die Nachbarschaft und das Gemeinwohl zu stärken sowie vorhandene Raumpotenziale im Quartier zu aktivieren. Die Verzahnung von Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit spielt dabei eine zentrale Rolle. Mit dem Quartier:HAUS, im zuvor von Leerstand geprägten Einkaufszentrum der 60/70er Jahre angesiedelt, hat die Initiative einen lebendigen Ort des Austausches, des Begegnens und der Solidarität geschaffen, zum Beispiel für Flohmärkte. „Eine nachhaltige Quartiersentwicklung ist nur dann gegeben, wenn Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils im Sinne guter Nachbarschaft ihr Quartier gemeinsam entwickeln“, erklärt Vivien Wiens.
Initiiert wurde Quartier:PLUS im März 2021 durch Ayat Tarik, die während ihrer Masterarbeit bei Prof. Dr. Tatjana Schneider am Lehrstuhl für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt an der TU Braunschweig die Potenziale wissenschaftlich untersuchte und erste Impulse geben konnte. Heute ist der Bürgerverein „Am Schwarzen Berge e.V.“ Träger des Projektes. Gefördert wird die Initiative vom Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, begleitet von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Soziale Brennpunkte Niedersachsen e.V.
Fabriken erkennen Wert guter Nachbarschaft
Auch Fabriken schaffen Orte, die den Austausch mit der urbanen Umgebung fördern. Die National Jürgens Brauerei GmbH beispielsweise bedient vorwiegend den lokalen Markt mit hochwertigen Bierspezialitäten. Ansässig im Universitätsviertel in Braunschweig, etabliert die Manufaktur lokale Produkte als Identitätsträger im Quartier. „Sie setzt mit dem weit aufgestellten, urbanen Akteurs-Netzwerk bereits erfolgreich Maßnahmen der urbanen Fabrik um“, sagt Regina Sonntag. Neben wirtschaftlichen und ökonomischen Grundsätzen spielen Dialog und Vernetzung, sprich soziale Ziele, eine große Rolle in der Unternehmensphilosophie. So ist mit dem ‚Taproom‘, durch die temporäre Umnutzung eines Hallenbereichs, ein Begegnungsformat auf dem Fabrik-Areal entstanden, in dem ein kreativer, urbaner Austausch stattfindet.
Architektur und Austausch
Das Forschungsteam analysiert, wie die verschiedenen Akteure in den Entstehungsprozess solcher Orte systematisch einbezogen werden können, um den Dialog transparent, bedarfsgerecht und zugänglich für alle zu gestalten. „Wir suchen Lösungen, wie die Räume geplant und ausformuliert werden sollten, um einen positiven Beitrag zur ‚Stadt von morgen‘ zu leisten“, führt Vivien Wiens aus. Es ist ein langfristiger Prozess, Menschen, die den Wert der Teilhabe schätzen, auf eine Weise einzubeziehen, dass sie sich gehört fühlen, mit gemeinsamen Zielen identifizieren und aktiv ihre Quartiere selbst gestalten.
Hier finden Sie weitere Informationen:
Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau
Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau
Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau
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38106 Braunschweig
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