30. 01. 2023
Verfasst von: Sybille Münch, Leonie Jantzer
Polizei und Stadtgesellschaft – zum Umgang mit Geflüchteten vor Ort
Geflüchteten Menschen das Ankommen in Städten zu erleichtern ist eine Aufgabe der Politik und Gesellschaft. Doch welche Rolle spielt dabei die Polizei mit ihren Sicherheitsstrategien? Das untersuchen Forscherinnen der Leuphana Universität Lüneburg in einem Kooperationsprojekt. Erste Ergebnisse zeigen, dass es eine Bandbreite von polizeilichen Handlungsoptionen gibt, die sich aber lokal unterscheiden. Darin liegt auch das Potenzial, die Integration zu unterstützen, zum Beispiel über Mitgestaltung und Vertrauensbildung.
Stadtspezifische Wahrnehmung und Bearbeitung durch die Polizei
Gesellschaftliche und politische Diskussionen über die Aufnahme von Geflüchteten sind häufig mit Fragen zur öffentlichen Sicherheit verknüpft. Der Polizei kommt als staatliches Vollzugsorgan zur Wahrung der Sicherheit eine besondere Rolle zu. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, in welcher Weise die alltägliche Polizeiarbeit im Zusammenhang mit Geflüchteten in einen lokalspezifischen, stadtpolitischen und zivilgesellschaftlichen Kontext eingebettet ist und davon geprägt wird. Inwiefern kann die Polizei dabei das Miteinander in „ihrer“ Stadt mitgestalten?
Beim Forschungsprojekt „Polizei, Politik, Polis – Zum Umgang mit Geflüchteten in der Stadt“ arbeitet die Leuphana Universität Lüneburg mit der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit Wiesbaden zusammen. Im Mittelpunkt steht die Annahme, dass Städte aufgrund ihrer Historie und ihres Selbstverständnisses mit gesellschaftlichen Prozessen unterschiedlich verfahren. Städte bieten stets individuelle, lokal geprägte Räume, in denen Menschen kooperieren und Konflikte artikulieren können. Es gibt Unterschiede, wie Städte mit Gemeinsamkeiten und Differenzen umgehen, welche Bedürfnisse und Problemlagen sie fokussieren und wie sie diese interpretieren.
Unterstützen, mitgestalten, sensibilisieren
Zur Überprüfung dieser These analysieren die Forschenden
- die Rolle der Polizei als staatliche Gewalt vor Ort („Polizei“),
- die Relevanz stadtpolitischer Strategien im Umgang mit Flüchtlingsfragen („Politik“) sowie
- die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Akteure, Netzwerke und Diskurse („Polis“).
Projektleiterin Sybille Münch, Gastwissenschaftlerin am Zentrum für Demokratieforschung der Leuphana, geht davon aus, dass „auch die Landespolizei vor Ort über einen beträchtlichen Gestaltungsraum verfügt, obwohl sie in ihrem Handeln einheitlich geltendes Recht durchzusetzen hat.“ Die Polizei entwickele spezifische Strategien für die Öffentlichkeitsarbeit vor Ort, könne sich in lokalen Netzwerken und Gremien beteiligen und an Orten wie Schulen für ihre Themen und Sichtweisen sensibilisieren.
Dafür haben die Projektpartner zunächst in Braunschweig, Osnabrück und vier weiteren Städten in Hessen und Baden-Württemberg ermittelt, wie die Polizei Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten im Kontext Flucht und Migration wahrnimmt, welche Sicherheitsstrategien sie verfolgt und welche lokalen Diskurse es gibt. Bereits nach der ersten Sichtung des Materials ist „eine Bandbreite von polizeilichen Handlungsoptionen vor Ort erkennbar – insbesondere mit Blick auf die Ankunftszeit zahlreicher Geflüchteter im Sommer 2015“, berichtet die wissenschaftliche Mitarbeiterin Leonie Jantzer. Als Beispiel nennt sie die praktische Amtshilfe in der Hochphase der Ankunft oder die Versuche, den Geflüchteten die Angst vor der Polizei zu nehmen, die in den Herkunftsländern oder auf der Flucht entstanden ist.
Konflikte erkennen, Potenziale nutzen
Das dreijährige Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Forschenden erwarten Erkenntnisse darüber, inwiefern sich von spezifischen städtisch-polizeilichen Umgangsweisen mit Geflüchteten sprechen lässt und wo deren Bruchstellen, Konflikte und Potenziale liegen. Das Projekt leistet einen Beitrag dazu, die Rolle der Polizei in der Aushandlung von fluchtbedingter Diversität in Stadtgesellschaften zu verstehen sowie die Bedeutung von Flucht und Migration für das urbane Regieren zu formulieren.
Hier finden Sie weitere Informationen:
- Polizei & Wissenschaft – Online
- Prof. Dr. Sybille Münch, Leuphana Universität Lüneburg
- Leonie Jantzer, M. A., Leuphana Universität Lüneburg
- Prof. Georgios Terizakis, Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit Wiesbaden (HÖMS)
- Prof. Michael Haus, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Zentrum für Demokratieforschung (ZDEMO)
Zentrum für Demokratieforschung (ZDEMO)
Zentrum für Demokratieforschung (ZDEMO)
Zentrum für Demokratieforschung (ZDEMO)
21335 Lüneburg
21335 Lüneburg