19. 11. 2024
Verfasst von: Fabian Sinz, Anita Just, Leif Saager, Dominik Becker
Lungendiagnostik: Neue Strategie mit KI
Eine engmaschige Überwachung des Zustands der Lungen von Patientinnen und Patienten am Krankenbett ist mit bisherigen bildgebenden Verfahren zurzeit nur schwer möglich. Ein Forschungsteam der Universität und des Universitätsklinikums in Göttingen entwickelt eine Technologie, die nicht-invasiv und kostengünstig das Lungengewebe visualisiert und Schäden aufzeigt. Sie verwenden dazu die Elektrische Impedanztomographie und künstliche Intelligenz (KI).
Zustand des Lungengewebes erfassen und darstellen
Lungenschäden, hervorgerufen durch Krankheiten wie Asthma oder Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD), werden in der Regel über bildgebende Verfahren visualisiert und bewertet. Doch die etablierten und hochauflösenden Verfahren bringen in der klinischen Praxis spezifische Nachteile mit sich: So setzen Röntgen und Computertomographie(CT)-Untersuchungen Patientinnen und Patienten Strahlung aus, während die Magnetresonanztomographie(MRT)-Diagnostik lange dauert und vergleichsweise teuer ist. Zudem lassen sie sich nicht praktikabel am Krankenbett einsetzen, was insbesondere Intensivpatienten zusätzlich belastet. Auch in anderen Situationen, etwa in der Raumfahrt, eignen sich diese Verfahren nicht zur Lungenüberwachung.
Von Elektroden zur diagnostischen Bildgebung
Eine Alternative für eine engmaschige Überwachung des Zustands der Lunge am Krankenbett könnte die absolute Elektrische Impedanztomographie (a-EIT) sein. Hierbei speisen Elektroden am Oberkörper schwachen elektrischen Strom ein, um die resultierenden Potentialdifferenzen zu messen. Die Spannungsmessungen werden durch die Widerstandsverteilung innerhalb des Körpers beeinflusst, die Messwerte lassen somit Rückschlüsse auf den Zustand des Körpergewebes des Patienten zu. „Der gewebespezifische Widerstandswert der Lunge unterscheidet sich stark von anderen inneren Organen“, erklärt Prof. Dr. med. Leif Saager von der Universitätsmedizin Göttingen. „Innerhalb der Lunge weisen geschädigte Bereiche lokal einen anderen spezifischen Widerstand auf als gesunde.“ Doch auch bei der EIT treten besondere Herausforderungen auf, die das KI-Team der Universität Göttingen zu lösen versucht.
Neue Strategie mit Elektrischer Impedanztomographie
Das Lungengewebe lässt sich über die Rekonstruktion der Widerstandsverteilung mittels EIT in einem Tomogramm visualisieren. In der klinischen Praxis findet die funktionale EIT (f-EIT) bereits Anwendungen. Während die absolute EIT den Gewebezustand beobachtet, misst die f-EIT den funktionalen Zustand über eine bestimmte Zeitspanne und betrachtet die Widerstandsschwankungen im Vergleich zu einer Referenzmessung. Dieses Vorgehen hat den Nachteil, dass es Veränderungen des Gewebswiderstandes immer nur kurzfristig innerhalb weniger Tage im Vergleich zur Referenzmessung erfasst. „Langfristige Änderungen des Lungengewebes lassen sich mithilfe von f-EIT hingegen nicht darstellen“, sagt Leif Saager. Beginnende Lungengewebsschädigungen zu erfassen ist allerdings insbesondere für chronisch Lungenkranke enorm wichtig. „Die Herausforderung ist nun, das inverse Problem zu lösen, ein Tomogramm mit hochauflösender Widerstandsverteilung über vergleichsweise wenige Spannungsmessungen zu erhalten“, erläutert Prof. Dr. Fabian Sinz, Informatiker an der Universität Göttingen.
KI löst Probleme der bildlichen Darstellung
Gefördert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), entwickelt eine Forschungsgruppe am Campus Institut Data Science (CIDAS) der Universität Göttingen und des Universitätsklinikums Göttingen nun Methoden, um dieses Problem mit Hilfe moderner KI-Algorithmen zu lösen. Bestehende Rekonstruktionsalgorithmen für EIT sind meist rein physikalisch motivierte Modelle, die aufgrund der Schwierigkeit des inversen Problems nur bedingt brauchbare Tomogramme erstellen. „Trainieren wir allerdings KI-Modelle mit Daten, die bereits die wahre Widerstandsverteilung des Körpers beinhalten“, führt Fabian Sinz weiter aus, „lernt das Modell, wie Tomogramme im Allgemeinen aussehen sollten, und grenzt somit den Lösungsbereich des inversen Problems stark ein.“
Ein neues Problem: Woher sollen Daten mit wahren Werten für das Training der KI kommen? Hierzu haben die Forschenden aus öffentlich verfügbaren CT-Aufnahmen Körper und Organe von Hunderten Patienten rekonstruiert, um anhand dieser 3D-Modelle detaillierte physikalische Simulationen durchzuführen. Auf dieser Basis kann die KI lernen. „Erste Ergebnisse zeigen, dass die Simulationen des KI-Algorithmus herkömmlichen physikalisch motivierten Methoden überlegen sind“, zieht Fabian Sinz eine Zwischenbilanz. Im nächsten Schritt will das Team Daten an Probanden aufnehmen und untersuchen, wie das Modell mit realen Messdaten funktioniert. Ziel ist es, die Simulationen zu verfeinern und eine nicht-invasive, kostengünstige und engmaschige Überwachung der Lungenfunktion von Patienten am Krankenbett zu ermöglichen.
Institut für Informatik
Campus Institut Data Science (CIDAS)
Institut für Informatik
Campus Institut Data Science (CIDAS)
Klinik für Anästhesiologie, Forschungsbereich EIT
Klinik für Anästhesiologie, Forschungsbereich EIT
37075 Göttingen
37075 Göttingen