01. 09. 2020
Verfasst von: Christoph Schank
Entscheidungen zwischen Mensch und Maschine
Automatisierte Entscheidungssysteme durchdringen immer weitere Bereiche der Arbeitswelt und Gesellschaft. Das allein ist nicht per se problematisch, solange der Mensch diese Technik beherrscht. Doch diese Systeme können auch dazu führen, dass die individuelle Selbstbestimmung am Arbeitsplatz erheblich eingeschränkt wird. Prof. Christoph Schank von der Universität Vechta forscht zu diesem Thema.
Algorithmen beeinflussen Selbstbestimmung am Arbeitsplatz
Algorithmenbasierte Entscheidungssysteme (ADM-Systeme) gehören zur Avantgarde und gleichzeitig meistdiskutierten Kontroverse der Digitalisierung. In ihnen gipfelt eine digitale Wertschöpfungskette, die Ursprung in den Big Data findet. Diese überwiegend unstrukturierten Daten aus sozialen Medien, GPS-Auswertungen, Metadaten, Gesundheits- oder Kundendaten stellen eine neue Form der Wissensproduktion dar, die wir früher rein qualitativ betrachteten. Diese Datendimensionen sind mit der menschlichen Verarbeitungskapazität nicht mehr zu bewältigen. Hier setzen ADM-Systeme an. Sie werden als rational und objektiv beworben, da sie im Gegensatz zum Menschen frei von Vorfestlegungen, Vorurteilen und auch Diskriminierung seien.
Analysesysteme versus Autonomie des Einzelnen
Tatsächlich aber greifen ADM-Systeme mitunter massiv in die unternehmerischen Machtstrukturen und die Autonomie des Einzelnen ein. Wie groß der dadurch hervorgerufene Umbruch der Unternehmenskultur ist, hängt maßgeblich von den konkret eingesetzten Systemen ab:
- Beschreibende Analysesysteme (Descriptive Analytics) stellen die Bettenauslastung im Hotel oder den Krankenstand der Belegschaft dar.
- Diagnoseverfahren (Diagnostic Analytics) des Data-Minings verbinden Käuferprofile und Konsumverhalten oder erkennen Fehler in automatisierten Arbeitsabläufen.
- Prognoseverfahren (Predictive Analytics) beruhen oftmals auf maschinellem Lernen und sagen etwa den Energieverbrauch oder Krankheitsverläufe vorher.
- Vorschreibende Analysen (Prescriptive Analytics) benennen konkrete Handlungsoptionen etwa zu Personalentscheidungen, Pausen von Kurierfahrern oder Ticketpreisen – vollständig automatisiert treffen sie die Entscheidungen gleich selbst.
Von Regeltreue und persönlicher Integrität
Auf Kontrolle und Monitoring ausgerichtete ADM-Systeme fördern einseitig die Kultur der Regeltreue (Compliance). Diese geht davon aus, dass der Mensch durch Regeln, Sanktionen und Anreize geführt werden muss. Dem gegenüber steht die Kultur der Selbststeuerung (Integrität), die Menschen motiviert, aus freien Stücken und eigener ethischer Abwägung zu entscheiden und zu handeln. Somit geht von ADM-Systemen dann eine potenzielle Gefahr für die persönliche Integrität aus, wenn algorithmenbasierte Handlungsanweisungen die Autonomie am Arbeitsplatz angreifen. Zwar besteht dieses Risiko auch bei menschlicher Führung, aber komplexe ADM-Systeme erhöhen aufgrund ihrer mangelnden Transparenz und ihrer Unfähigkeit zur Diskussion die Qualität der Problematik. Dies betrifft zunehmend auch Berufsfelder wie Medizin, Ingenieurs- oder Rechtswesen.
Fach Wirtschaft und Ethik
Universität Vechta
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49377 Vechta
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