25. 01. 2022
Verfasst von: Daniel Goldmann, Christina Amrhein-Bläser
Rohstoffe sichern – die Zeit drängt
„Wir haben nicht nur eine Energiewende, sondern auch eine Rohstoffwende zu bewältigen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldmann. Der Experte für Rohstoffe und Recycling an der Technischen Universität Clausthal sieht die Situation relativ dramatisch: Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung und des steigenden Pro-Kopf-Verbrauchs werden wir nach seriösen Schätzungen der Vereinten Nationen spätestens zur Mitte des Jahrhunderts eine deutliche Rohstoffverknappung erleben. Daher fordert er, „jetzt dringend Maßnahmen zu ergreifen, um Rohstoffe zu sichern und ressourceneffizient damit umzugehen.“ Dieses virtuell geführte Interview beruht auch auf früheren Beiträgen des Forschers, die an Aktualität nichts eingebüßt haben.
Maßnahmen zu Rohstoffersatz, Effizienz und Recycling
Prof. Goldmann, wie sollten wir der drohenden Rohstoffverknappung Ihrer Meinung nach begegnen?
Die Maßnahmen stehen auf vier Säulen: die Versorgung mit Primärrohstoffen optimieren, Rohstoffe materialeffizienter einsetzen, kritische Rohstoffe substituieren und vor allem das Recycling und die Kreislaufwirtschaft ausbauen. Nur in Kombination aller vier Säulen werden wir noch eine reelle Chance haben, die Rohstoffversorgung sicherzustellen, ohne unsere Lebensgrundlage weitreichend zu zerstören. Die Lösungen müssen gleichermaßen dem Umweltschutz, der Rohstoffversorgung und der Wirtschaft dienen.
Wo sehen Sie Ansatzpunkte bei den Primärrohstoffen, wenn der Bedarf doch sogar noch steigt?
Bei der Versorgung mit Primärrohstoffen gehen viele natürliche Vorkommen nicht komplett zur Neige, aber der Abbau wird immer aufwändiger und teurer. Er hat zudem einen erheblichen Landschaftsverbrauch zur Folge. Außerdem haben wir das Problem einer strategischen Verknappung, weil sich der Abbau zahlreicher Rohstoffe auf wenige Gegenden der Welt konzentrieren wird. Wer bietet Rohstoffe an und wer hat Zugriff darauf? Das erleben wir momentan massiv bei Metallen für die Elektromobilität: Wer keine Rohstoffe hat, kann keine E-Fahrzeuge bauen.
Welches Potenzial räumen Sie dem Recycling von Rohstoffen ein?
In 30 Jahren müssten wir den Rohstoffbedarf, den wir heute durch Primärrohstoffe decken, über Recycling erreichen, damit wir die künftigen Bedarfszuwächse über Primärrohstoffe decken können. Dabei werden viele Rohstoffe wie etwa Tantal weltweit noch kaum recycelt. Hierfür benötigen wir neue Technologien und Strukturen, erste Entwicklungsansätze gibt es bereits. Die Verfahren müssen wirtschaftlich tragfähig sein, sich industriell umsetzen lassen und danach weltweit angewendet werden. Das gilt nicht nur für ein Element, sondern für das halbe Periodensystem. Und die Zeit drängt!
Welche Lösungen kann die Forschung dazu beitragen?
In der Recyclingregion Harz haben wir in der Forschung schon viel erreicht. Zum Beispiel entwickeln wir Verfahren, um wertvolle Rohstoffe aus Bergbaurückständen zu gewinnen oder mineralische Reste als alternative Baustoffe zu nutzen. Eine hohe Dichte von Unternehmen und Hochschulen, die dem Recycling neue Impulse geben, zeichnen diese Leuchtturmregion aus. Zu den Kooperationspartnern zählen Hochschulen in Braunschweig, Clausthal, Göttingen, Hildesheim, Kassel, Magdeburg, Nordhausen, Weimar und Wolfenbüttel. Die Forscherinnen und Forscher erarbeiten nicht nur technische Lösungen, sondern beurteilen auch deren rechtliche, wirtschaftliche und ökologische Tragfähigkeit. Sie befassen sich vor allem auch mit Akzeptanzfragen in der Bevölkerung, wenn es etwa um neu zu bauende Recyclinganlagen geht, und mit dem Konsumentenverhalten. Da liegt noch eine gewaltige Aufgabe vor uns. An dieser Stelle setzt das an, was man unter Transfer verstehen kann, die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die industrielle Praxis, so wie wir ihn in der Recyclingregion Harz vorantreiben.
Was können die Verbraucherinnen und Verbraucher dazu beitragen?
Mit Sicherheit ist es zwingend erforderlich, dass der Mensch seine Lebensweise ändert. So sind die Rückführungsquoten von alten Handys und Elektrokleingeräten bislang viel zu niedrig, da sehr viele Geräte in den Restmüll gelangen und nicht in die Verwertungskanäle für Elektronikschrott. Dafür brauchen wir ein gesellschaftliches Umdenken, das allerdings bereits eingesetzt hat. Was etwa werden Ansätze wie das Car Sharing bringen? Und muss ich das Handy nach 18 Monaten schon ausmustern? Die Idee der Shared Economy und der nachhaltigen Nutzung von Produkten wird sich sicherlich weiter verbreiten. Ich denke schon, dass wir eine reelle Chance haben, die Probleme in den Griff zu bekommen. Und ich sehe Deutschland in der Verantwortung, mit gutem Beispiel voranzugehen. Da, was hier nun auf den zuvor beschriebenen Transfer folgt ist die gesellschaftliche Transformation. Dieser nächste Schritt, der vom Land Niedersachsen stark unterstützt wird ist der Aufbau einer Circular Region.
Technische Universität Clausthal
Technische Universität Clausthal
38678 Clausthal-Zellerfeld
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